Wie der Strom nach Büren kam

Vor genau 100 Jahren trafen Stadtverordnete historische Entscheidung

Von Willi Nietmann
Büren (WV). 22. Juni morgens 5.30 Uhr, der Wecker klingelt. Ein Griff zur Nachttischlampe erübrigt sich, sie funktioniert nicht; genauso wenig wie die elektrische Zahnbürste und der Rasierapparat. Auch die Kaffeemaschine verweigert ihren Dienst und den Toaster lässt das Weißbrot völlig kalt.

Kaum vorstellbar, doch es ist gerade einmal 100 Jahre her, da sah der Alltag genau so aus. Abgesehen davon, dass es Kaffeemaschine & Co. noch gar nicht gab, fehlte ihnen der Strom. Und das änderte sich in Büren mit einem historischen Ratsbschluss genau am 22. Juni 1907.
Doch wie kam eigentlich der Strom nach Büren? Damals trugen die Stadtverordneten Aronstein, Boedts, Funke, Gockel, Götte, Kaup-Habig, Laufkötter, Laun, Volbracht (zugleich Beigeordneter) und Wagener unter Vorsitz von Bürgermeister Vonnahme die Verantwortung. Sie fällten den denkwürdigen Beschluss, die Holthäuser Mühle aus dem von Brenkenschen Besitz zu kaufen und zur städtischen »Beleuchtungszentrale« umzubauen.
Diese Entscheidung stand jedoch am Ende zehnjähriger Planungen und Überlegungen anfangs noch unter Bürgermeister Melies. So hatte man ein Wasserkraftwerk im Bereich der Mucht diskutiert, über ein gasbetriebenes Kraftwerk auf dem Gelände der ehemaligen Grundschule in der Rosenstraße nachgedacht und den Ankauf der Mühle Gottesleben in Erwägung gezogen. Mit dem Kauf der Holthäuser Mühle (auch Obermühle) war schließlich der Durchbruch geschafft.
Schon im Herbst 1908 war das Netz auf Gleichstrombasis fertig. Ein erster Schritt über die Stadtgrenzen hinaus erfolgte am 6. Juni 1914: die Gründung des »Elektrizitäts-Verbandes Büren-Brilon (EVBB)«. Ab 1918 verhandelte der Verband mit dem preußischen Staat (Preag) zwecks Stromlieferungen von der Diemel-/Edertalsperre. 1922 baute die Preag die Holthäuser Mühle zu einem großen Elektrizitäts- und Umspannwerk um. Ein Jahr später wurden zwei 60-KV-Leitungen von Borgholz und Helmighausen nach Büren gebaut.
Doch schon bald war das zu wenig. 1927 wurde eine weitere Leitung von Steinhelle nach Büren erforderlich.
In den Jahren 1928 und 1929 dehnte sich auch der Verband weiter aus: ein erster Konzessionsvertrag mit der »Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen GmbH zu Dortmund« (später VEW AG) und der Anschluss des Kreises Wittgenstein. Aus dem EVBB wurde EVBBW. Sechs Jahre später löste sich der Verband jedoch auf, Vermögen und Personal gingen auf  die VEW AG über.
Das Jahr 1960 brachte einschneidende Veränderungen: Der Stromlieferungsvertrag mit der Preag lief aus, die Leitungen nach Borgholz und Helmighausen wurden abgebaut.
Gleichzeitig ging das neue Umspannwerk der VEW am Bühl in vollen Betrieb. Der Strom wurde nun aus der entgegengesetzten Richtung vom Kraftwerk Uentrop nach Büren geliefert. Vorläufig endete auch die Stromgeschichte am Eselweg. Das Elektrizitäts- und Umspannwerk der Preag wurde stillgelegt und an den Fabrikanten Anton Vollmer aus Brenken verkauft.
40 Jahre später ist das Thema Strom und Energie aktueller denn je. Die VEW geht im Jahre 2000 in der neuen RWE AG auf. Der Verteilerpunkt Büren ist heute wichtiger Bestandteil des großflächigen Versorgungsnetzes der RWE Westfalen-Weser-Ems. Der Netzbezirk Büren umfasst die Kommunen Büren, Borchen, Lichtenau und Bad Wünnenberg. Vom Standort Büren aus kümmern sich sechs Mitarbeiter vor Ort um die Versorgung der vier Kommunen; weitere sechs für Planungsaufgaben und Dokumentation betreuen von Büren aus auch die Netzbezirke Brilon und Erwitte. Acht Mitarbeiter sind für Montagedienstleistungen und Straßenbeleuchtung zuständig. Die RWE Westfalen-Weser-Ems AG mit Sitz in Dortmund ist eine Regionalgesellschaft unter dem Dach der RWE Energy.
RWE Westfalen-Weser-Ems bietet Strom, Gas und Wasser für 5,5 Millionen Einwohner. Über ein Stromnetz mit einer Gesamtlänge von 78 000 Kilometern und ein 22 000 Kilometer langes Gasnetz werden mehr als 21 TWh Strom und rund 60 TWh Gas abgesetzt. RWE Westfalen-Weser-Ems beschäftigt rund 2700 Mitarbeiter. Und sie alle sorgen dafür, dass morgens die elektrische Zahnbürste ebenso funktioniert wie der Toaster - auch in Büren.